Ballfächer – Tanzkarten

Hier stelle ich einen seltenen Fall vor: Tanzstundenfächer und Tanzkarten, die auf ein und derselben Veranstaltung benutzt wurden. Aber was war ein „Revanche-Kränzchen“?

Das Wort „Revanche“, im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, verbindet man heute bekanntermaßen am ehesten mit „Rache“, oder dass man eine zweite Chance nach einer Niederlage sucht. Im Gegensatz zu „revanchieren“: Hier möchte man sich eher  für etwas erkenntlich zeigen. So auch die Damen einer Linzer Tanzschule:

Wie der ausgezeichneten Chronik der Tanzschule Köhler-Schimmel in Chemnitz zu entnehmen ist, gab es während der Tanzschulzeit drei große Bälle: zunächst das „Kränzchen“, das die Herren veranstalteten, gefolgt vom „Revanche-Kränzchen“ der Damen, und schließlich natürlich den Abschlussball. Dazu kamen dann noch etliche saisonale Veranstaltungen.

Zu jedem Ball gab es für jede Dame eine Tanzkarte, die sog. Ballspende, beinhaltend das Programm der vorgesehenen Tänze mit einer Zeile, in die sich der (hoffentlich erwünschte) Tanzpartner eintrug wie in diesem Fall. Oder die Dame vermerkte auf Wunsch den entsprechenden Namen. Und in den Pausen verewigten sich die Herren dann vermutlich auf den Tanzstundenfächern … Zu anderen Bällen waren übrigens auch Fächer als Ballspende üblich, siehe unten.

Die Tanzkarten sind jeweils verziert mit Troddeln, in denen sich ein Haken versteckt, um die Karte beim Tanzen am Kleid festzuhaken. Die beiden Messingfedern an der rechten Seite halten die Karte fest zusammen (auch heute noch!). Die Dame brauchte die Karte also weder aus der Hand zu geben, noch konnte man im Vorbeigehen sehen, ob die Dame einen Tanzpartner – oder wen – für die folgenden Tänze hatte. Da wurde wohl sehr taktvoll auf Diskretion geachtet damals. Ob durch die Messingfedern, bei so viel Pragmatismus, auch der Bleistift für die Eintragungen geschoben wurde?

Der Fächer wurde seit – mindestens – 1905 in den Tanzstunden benutzt, und er war auch bei diesem Revanche-Kränzchen dabei. Übrigens ist er auf der Schauseite mit winzigen Pailletten beklebt, selten. Und einer dieser Namen ist wohl der der Eigentümerin:

Und was für ein Tanz bzw. wer war wohl „Sir Roger“? – „Sir Roger de Coverley“ ist ein Tanz, bei dem sich die Paare, wohl meist fünf, in zwei Reihen gegenüberstehen. Dann bewegen sich die äußeren Partner, die sich schräg gegenüberstehen, in die Mitte aufeinander zu, tanzen umeinander und kehren auf ihre Position zurück, gefolgt von dem anderen gegenüberliegenden äußeren Paar usw. Die anderen Tänzer sehen zu und klatschen derweil im Takt; später reichen sich die Partner die Hände und gehen in Reihe zur Seite fort, trennen sich und kehren zurück auf ihre Position, wobei das vorderste Paar mit den Armen einen Bogen bildet, unter dem die anderen Paare hindurchtanzen … usw. Es sieht ziemlich kompliziert aus, s. Youtube, und wird heute gern in Empire-Kostümen auf „Jane-Austen-Bällen“ getanzt.

Entwurf: Tobias Marquardt
Grafik: Tobias Marquardt

Der Name bezieht sich übrigens auf einen Fuchs, der, gejagt, sich abwechselnd aus seiner Deckung wagt und wieder verschwindet. Natürlich stammt der Tanz aus England, erstmals erwähnt 1695 und besonders beliebt in viktorianischer Zeit – und noch gelehrt und getanzt in Oberösterreich anno 1906, letzeres vielleicht im 1898 eröffneten Kaufmännischen Vereinshaus, der angesagtesten Location für derartige Veranstaltungen zu jener Zeit in Linz.


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Dieser Fächer stammt von der Großmutter der Vorbesitzerin, einer Berlinerin, und war offenbar ein Give-away zu einem Gewerbeball im Jahr 1914. Der Fächer ist aus Zelluloid, demselben Material, das damals für die Stummfilme verwendet wurde. Leider leicht brennbar. Ein Glück, dass dieser kleine Fächer die letzten 100 Jahre überdauert hat. Sogar der Bügel ist noch ganz, denn der ging bei vielen Zelluloidfächern als erstes entzwei.

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Ist es überhaupt ein Fächer? Jedenfalls ein originelles Andenken an eine Tanzveranstaltung aus dem Jahr 1928. Ich habe nicht rausbekommen können, was „First Bluess“ in Pirna für eine Veranstaltung war. Und so aufwendig, wie der Fächer gefertigt wurde, kann er auch nicht in großen Mengen verteilt worden sein. Ich glaube eher, dass es sich um eine Art Lorbeerkranz für einen Wettbewerbssieger handelt; gewonnen hat das geheimnisvolle Monogramm …

 

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