Die „Fächerverse“ von Gustav W. Eberlein

„Die Sitte des Stammbuchs ist überwunden oder liegt in den letzten Zügen, das Beschreiben des Fächers kommt in Blüte. Dessen Blätter aber dulden keine Stammtischpoesie …“, so meint jedenfalls Gustav W. Eberlein, Autor und Dichter, in dem 1925 oder früher erschienen Heft „Fächerverse“ (Verlag für Kunst und Wissenschaft Albert Otto Paul, Leipzig; Miniatur-Bibliothek Heft 1039-1040). Man(n) solle sich kurz fassen, denn die Damen „wollen – sei es nun, weil sie mehr Verehrer oder die Fächer mehr Blätter haben – jedem von einem anderen etwas zukommen lassen.“ Hatten denn die Fächer vor den 1920er Jahren weniger Stäbe? Durchaus nicht, und über die Zahl von Verehrern heute, einst und dunnemals lässt sich nur spekulieren. Mutmaßlich konnte man mit einem vollständig signierten Fächer wunderbar angeben. Andererseits dürfte die Zahl der Einträge von mehreren Umständen abhängig gewesen sein. Jedenfalls beklagt Herr Eberlein, „daß wir eine jämmerliche Fächerpoesie … haben, daß die Unsitte sich breit macht, irgendetwas auf irgendeinen Fächer zu schreiben, das womöglich noch von einem anderen abgeschrieben ist, …„. Der Autor war selbst wohl nicht mehr im Tanzstunden-Alter, und er erzählt auch nichts weiter über die Tanzstundenfächer in seinem kleinen Zitaten-Ratgeber im Duodez-Format für den Herrn, „… der sich der seitens seiner Dame gestellten Aufgabe gern unterzieht.“ Zitieren wir ihn gleich mal selbst:

Wenn Sie den Fächer schwingen zur Kühlung,
Rufe Erinnerung Ihnen zurück
Raunend die Stunden, wo rhythmische Fühlung
Zweien verriet ein heimliches Glück.

Das ist doch ganz schön viel Text für einen einzigen Stab … Und unter „Stammtischpoesie“ versteht wohl auch jeder etwas anderes. Die meisten Zitate, die Gustav W. Eberlein zum guten Zweck gesammelt hat, stammen allerdings von großen Namen der deutschen Dichtung.

Interessant auch der Herr, der dieses eine Exemplar der „Fächerverse“ am „26.7.25“ gekauft oder jedenfalls benutzt hat: Mit Bleistift hat er seine Favoriten markiert (und auf dem rückwärtigen Schmutztitel sicherheitshalber vermerkt: „So eingerahmte Sprüche gefallen mir gut.“). Folgen wir ihm bei seiner Vorliebe für Heinrich Heine und danken für die „Qual-der-Wahl“-Sorgen, von denen uns dieser Herr Karl Mund unfreiwillig erzählt – ein Aspekt, der bisher völlig unbeachtet blieb (übrigens war Karl Mund laut Berliner Adressbuch von 1925 entweder Elektromonteur, Schleifer oder Schlosser):

Wer nie im Leben töricht war, ein Weiser war er nimmer.

Könntest Du durchschaun dies Herze
Und sein innerstes Gefühl!
Dann erst sähst Du: es so grausam
Fortzustoßen, war zu viel.

oder von Ludwig Uhland:

Was zagst Du, Herz, in solchen Tagen,
wo selbst die Dornen Rosen tragen?

und natürlich von Goethe:

Weißt Du, worin der Spaß des Lebens liegt?
Sei lustig! Geht es nicht, so sei vergnügt.

Was man von der Minute ausgeschlagen,
Gibt kein Ewigkeit zurück.

 

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