Tanzstundenfächer nach 1920

Von 1924 ist dieser Fächer aus einer Tanzstunde in Teplitz. Der Kur- und Badeort Teplitz-Schönau, heute Teplice, liegt in Nordböhmen, ca. 50 km südlich von Dresden. Im Jahr 1924 gehörte die Stadt zur Tschechoslowakei, wobei ca. 80 Prozent der Stadtbevölkerung zu dieser Zeit deutschsprachig war. – Der Fächer ist möglicherweise aus Birnbaumholz gefertigt und wunderbar erhalten. Die Bemalung, offenbar von einem bzw. den Tanzstundenherren ausgeführt, gehört zu den prachtvollsten in meiner Sammlung. Der Fächer ist auf unbekannten Wegen bis nach Franken gelangt zu seiner Sammlerin und über deren Sohn schließlich an meine Adresse. _______________________________________________________________________

Bei der ausgefallenen Form dieses Fächers, dessen Deckstäbe im geschlossenen Zustand fast den ursprünglichen Ast bilden, handelte es sich vermutlich ursprünglich um einen Jagdfächer. Solche Fächer wurden den zu einem Jagdausflug mitangereisten Damen als Souvenir geschenkt, meist waren sie noch auf der Schauseite bemalt. Es gibt Beispiele, dass diese Jagdfächer dann in (neu-)adeligen Kreisen als Autographenfächer weiterverwendet wurden, ungefähr in der Zeit zwischen 1880 und 1900. Dieser Fächer hat Eintragungen von 1922 bis 1924, und zwar seltsam tröstendener Art. Vielleicht wurde einmal das Band erneuert, aber wenn, dann hatte das ursprüngliche Band dieselbe Farbe. Dieser Fächer wurde in Freiberg, der Dom- und Bergstadt in Sachsen, in einem freundlichen Antiquitätengeschäft in der Altstadt, nahe der Nikolaikirche, erworben.

Nachtrag: Kürzlich sah ich einen Zwilling dieses Fächers. Das Holz (beschrieben als Haselholz), die Anzahl der Stäbe, die Ast-Deckstäbe – alles genau wie bei diesem hier. Allerdings war jener bemalt mit Jagdszenen und -ausrüstung, einer reitenden Dame im Damensattel usw. Also ein Damen-Souvenir; außerdem war dieser Fächer datiert mit dem Ereignis (unleserlich) und „1877“.

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Dieser tschechische Fächer von 1921 unterscheidet sich durchaus nicht von seinen deutschsprachigen Kollegen, obwohl die Zeichnung mit dem Pfau schon ziemlich apart ist.  Zum Glück habe ich eine Tschechisch-Übersetzerin in der Nähe: Meine Mutter hat das Lesbare ins Deutsche übersetzt. Auch hier eigentlich keine Unterschiede – die Eintragungen kommen zwar, soweit ich weiß, so nicht auf deutschsprachigen Fächern vor, sind ihnen aber absolut verwandt. Wer möchte – hier die übersetzten Sprüche:
Vorderseite:
Zur Erinnerung an die Tanzstunden 1921

Rückseite:
Lieben und geliebt werden, das ist das Schönste im ganzen Leben.  Franta Zikeš
Wozu lange überlegen, wenn zum Tanz gerufen wird,
denn Freude ist keine Sünde und junge Leute haben Zeit.
Ich erinnere mich an die gewährten Tanzstunden. Poradovský
Die Frau ist der drastischste Irrtum der Natur.  Horn (?)
Zur Erinnerung an die Tänze mit dem „alten“ Herrn, dem Freund. 9.10.21 Kanu Schleil (?)

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Hier kommt ein Fächer, der wieder die Frage der Schüler- und Studentenverbindungen berührt.  Er wurde zu einem Abschlussball 1925 getragen. „Absolvia“ bedeutete, dass es sich um eine Realschulklasse gehandelt hat (im Gegensatz zu „Abituria“ für Gymnasiasten).  Die Annemie, die hier mit dem Zirkel, den stilisierten Initialen des Mottos der Verbindung, unterschrieb, gehörte also der Schülerverbindung an, sicher auch die Besitzerin des Fächers. Demnach gab es 1925 auch schon Mädchen-Schülerverbindungen? Oder war es bereits eine gemischte Realschule? Da kenn ich mich leider nicht aus. Der Fächer stammt aus dem Nachlass einer alten Dame aus München, die aus Bad Homburg stammte, aber ganz sicher nicht 1925 Abitur gemacht hat … Vielleicht war sie auch eine Sammlerin, und der Fächer stammt ganz woanders her.  Interessant ist übrigens, dass das Motiv der drei tanzenden Mädchen genauso auf einem Zelluloidfächer auftaucht, der aus dem Chemnitz der 1930er Jahre stammt (und irgendwie erinnert es mich an t-105-6-walter trierPony Hütchen aus Erich Kästners „Emil und die Detektive“, gezeichnet von Walter Trier und erschienen 1929). 4

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